Donnerstag, 6. Oktober 2011

(1) Das Gleichgewicht der Inseln


Es ist wichtig, dass die in den Sommermonaten von Touristenmassen überströmten Inseln nicht aus dem Gleichgewicht geraten. Sowohl das ökologische, als auch das gewichtsmäßige Gleichgewicht gilt es dabei zu beachten. Touristen müssen daher nach einem ausgeklügelten System auf Inseln verteilt werden. Nicht auszudenken, wenn eine Insel mit sämtlichen Voll- und Teilzeitbewohnern kippt.
Zunächst werden die Touristen auf die extra zu diesem Zweck errichteten Bettenburgen verteilt. Diese Wohnstätten wurden so errichtet, dass eine möglichst gleichmäßige Gewichtsverteilung gegeben ist. Heute werden aus Sicherheitsgründen nur noch ebenerdige, maximal einstöckige Anlagen genehmigt, höhere Gebäude sind Schwarzbauten und werden unmittelbar nach Fertigstellung abgerissen.



Da sich nach jahrelanger Forschung heraus kristallisiert hat, dass sich die Touristen nicht in den für sie vorgesehenen eingezäunten Territorien bis zum Abtransport zum Flughafen halten lassen (vermutlich aufgrund purer Neugier), mussten Mittel und Wege gefunden werden, wie das Gleichgewicht der Inseln trotz Durcheinandergeraten der ursprünglich vorgesehen Aufenthaltsordnung zur Sicherheit der Einheimischen wie der Touristen gehalten werden kann.
Zu diesem Zweck wurden Futterstellen wie Tavernen und Fast Food Shops an strategisch wichtige Orte gesetzt, so dass sich die Touristen wieder an den für sie vorgesehenen Lokalitäten aufhalten können.
Als die Touristenströme aufgrund allgemeinen Wohlstandes neuerlich inflationär anwuchsen, wurden Einkaufsgelegenheiten erfunden, wie etwa die Souvenirläden, die ausschließlich Sachen feilbieten, die man nicht braucht. Sie dienen nur dem Zeitvertreib während des Kaufaktes und zur besseren Verteilung der Touristen auf den Inseln. Auf manchen Inseln ist es sogar notwendig, die Preise extrem hoch anzusetzen, um die Touristen zum Handeln zu animieren, um deren Verbleib in den Einkaufsstätten zu verlängern.
Eine logistische Herausforderung stellte zunehmend der Transport der Touristen von der zeitgerechten Lokalität zu anderen und zurück dar. Zu diesem Zwecke dienen heute die verschiedensten Systeme, wie Taxis, Linienbusse entlang besonders zu frequentierender Austauschstrecken. Weiters werden an Touristen mit außergewöhnlichem Bewegungsdrang Mopeds diverser Ausführungen, Motorräder, Quads, Buggys und Autos verliehen. Mit diesen verteilen sich die Touristen wie von selbst in der Masse gleichmäßig über die Inseln. Der Grund für die erfreulich gleichmäßige Verteilung liegt auch darin, dass sich die Touristen gegenseitig den immer falschen Weg ansagen.
Zum Ausgleich, falls an einer Stelle trotzdem noch Übergewicht entsteht, werden bewegungshungrigen oder gelangweilten Touristen Schiffsausflüge feilgeboten. So nimmt man in Zeiten besonderen Ansturms Gewicht von den Inseln. Die Touristen auf den Booten erleichtern die Insel. Das gilt jedoch nicht, wenn ein Boot über die Ankerkette oder Leine mit dem Land verbunden ist. In diesem Fall überträgt sich das Gewicht sofort wieder auf die Insel.
Auch der Umstand, dass die Touristen eher zu den Küsten als zur Inselmittel strömen, wirkt stabilisierend. Wie die Stabilisatoren moderner Kreuzfahrtschiffe oder die Stange eines Seiltänzers.
In Zeiten der größten Touristenhäufung, meist ist es der August, schickt Mutter Erde zudem Hitzewellen über die Inseln, so dass sich die Touristen zur Abkühlung ins Meer begeben und schwimmend Druck von den Inseln nehmen.
Zur Feinabstimmung der Insel lenkt man vereinzelte, dafür besonders geeignete Touristen auf Wanderwege, die wie dünne Fäden des Ausgleichs die Insel überziehen. Wanderer sagen einander grundsätzlich den richtigen Weg an.
Die Inseln sind auch gezwungen, die Abwässer der Touristen ins Meer zu leiten, da deren Häufung an Haufen an Land rasch zu großer Gewichtsbelastung führen würden. Denn wie gesagt, alles was im Wasser schwimmt, erzeugt keinen Druck auf die Insel.
Die Zahl der sommerlich gehäuften Touristen war beim Bau der hiefür vorgesehenen Leitungen ins Meer deutlich niedriger, nicht in den kühnsten Träumen der Touristenausgleichsmanager ist eine so große Zahl geträumt worden. Die Rohre sind heute eindeutig zu dünn. Da ist es noch ein Glück, dass die allermeisten Touristen tagsüber selber gleich direkt ins Meer pieseln. Es soll sogar welche geben, die ihre Wasserbesuche nach dem Leitungsdruck einteilen.

Ob die Touristen das Wasser in sich tragen oder ins Meer ablassen, ist für die Lage der Landmasse egal. Im Meer abgelassen steigt der Meeresspiegel, an Land getragen sinkt die Erdmasse. Ideal wäre ein Verdampfen in die Atmosphäre, weil die Luftmassen gleichmäßig auf Erd- und Wasseroberfläche drücken. Die Luft ist aber nur begrenzt aufnahmefähig, ist es ihr zu viel, lässt sie es in Form von Regen, Schnee, Eiswürfel (für die Drinks der Touristen) wieder fallen, wobei es wiederum egal ist, ob über Land oder ins Meer.
Weitere Erkenntnisse über die Wirkungen der Luft auf das Gleichgewicht der Inseln möchte ich dem geneigten Leser nicht mehr zumuten, würden diese doch zu sehr ins Wissenschaftliche abschweifen worauf die Gefahr bestünde, den Leser zu langweilen.
In diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben darf, dass auch Flughäfen an den Rand der Insel gesetzt werden, damit ein aufwuchtendes vollbesetztes Flugzeug die Insel nicht kippt. Es muss auf einer Insel bereits viele schwere Hotels an verschiedenen Ecken geben, bevor ein Flughafen gebaut werden kann. Manche Inseln eignen sich dafür gar nicht oder sind noch nicht ausreichend von Touristenströmen erfasst, so dass auf einen Flughafen vorerst verzichtet wird. Manche besonders kleine Inseln werden wohl niemals einen Flughafen bekommen. Die Touristen müssen an diesen Inseln mühsam anlanden, viele Inseln bleiben daher touristisch vollkommen unbenutzt.
So gelingt es, mit einem individuellen und ausgeklügelten System zur Verteilung der Touristen, die Inseln vor dem Untergang zu schützen.


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